Leben mit der amerikanischen Besatzung im ländlichen Odenwald – „Living History“ im Odenwälder Freilandmuseum aus der Zeit vor 68 Jahren
Das Odenwälder Freilandmuseum Walldürn-Gottersdorf widmet sich im Rahmen seiner „Living-History“-Vorführungen am kommenden Wochenende vom 30.August bis 1.September intensiv dem „Ersten Sommer im Frieden“ des Jahres 1945, also der Zeit vor genau 68 Jahren. Dies bedeutete damals für den ländlichen Odenwald Besatzungszeit durch ein amerikanisches Militärregime, nachdem die grausame Nazi-Herrschaft nach einem sechsjährigen furchtbaren Krieg endgültig beseitigt worden war.
Der ausführende „Studienkreis Militärgeschichte e.V.“ mit Sitz in Königswinter, eine international agierende Gruppe von Geschichtsfreunden mit Mitgliedern aus dem gesamten Bundesgebiet, hat sich akribisch auf diese Vorführungen vorbereitet. Ca. 100 Akteure, die aus allen Teilen Deutschlands kommen, schlüpfen in die Rollen von Besatzern und Einwohnern. Historische amerikanische Militärfahrzeuge wurden organisiert und fahren Gottersdorf an.
Der von den Akteuren dargebotene historische Rahmen, in dem sich die Darstellungen abspielen, wechselt an den 3 Veranstaltungstagen wie folgt:
Der grobe Rahmen am Freitag und Sonntag, das „Drehbuch“, innerhalb dessen sich die vielfältigen Szenen im Museumsgelände und in den historischen Gebäuden abspielen, stellt sich so dar:
Sommer 1945: Der Krieg ist vorbei, Deutschland sieht sich einer ungewissen Zukunft gegenüber. Zwar ist das Dorf im Odenwald von der Zerstörung verschont geblieben; der Krieg hat jedoch sichtbare Spuren hinterlassen. Viele Ehemänner und Söhne sind gefallen, vermisst oder in Gefangenschaft, die Frauen müssen sich und ihre Kinder durchbringen. Vertriebene und Flüchtlinge sind auf der Durchreise und versuchen, sich hier eine Heimat zu schaffen. Die ersten Heimkehrer haben sich nach Hause durchgeschlagen. Hamsterer aus den Städten sind auf der Jagd nach Lebensmitteln, der Schwarzhandel blüht. Als Teil der Besatzungstruppen in Deutschland sind amerikanische Streitkräfte im Ort stationiert. Ein US-Militärgouverneur hat die Regierungsgewalt übernommen. Es gilt eine neue deutsche Verwaltung zur Demokratisierung des Landes aufzubauen und mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau zu beginnen.
Die Deutschen stehen den amerikanischen Befreiern mit gemischten Gefühlen gegenüber. Den Amerikanern geht es mit dem ehemaligen Kriegsgegner nicht anders. Ihnen ist die Verbrüderung mit den Deutschen untersagt, trotzdem entstehen nach und nach erste soziale Kontakte. Es ist noch ein langer Weg bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland.
Das Programm dieser beiden Tage Freitag und Samstag lässt den Besucher also die ersten Schritte auf dem Weg zum heutigen Deutschland hautnah erleben – eine faszinierende Zeitreise kann angetreten werden.
Am Sonntag sieht der Handlungsrahmen dann folgendes vor: Das Szenario befasst sich mit der Befreiung und Besetzung des Ortes durch die Amerikaner Anfang April 1945. Der Krieg in Deutschland ist noch nicht vorbei. Auf breiter Front rücken die Amerikaner vor. Trotzdem leisten Teile der deutschen Streitkräfte in der Region hinhaltenden Widerstand. Der Besucher kann miterleben, ob der Ort verteidigt wird oder ob sich die Bevölkerung und Wehrmacht dazu entschließen, unnötiges Blutvergießen zu verhindern und dem Dorf Leid und Zerstörung zu ersparen.
Diese Darstellungen vom Sonntag finden erstmals in einem deutschen Freilandmuseum statt. Sie bilden inhaltlich und sachlich das Vorspiel zu den Darstellungen der beiden Vortage.
Innerhalb dieses Handlungsrahmens wird während der dreitägigen Vorführungen agiert und werden Szenen dargestellt. Trotz der Soldaten steht das Militär nicht im Mittelpunkt, sondern die Lebensumstände und der Alltag der damaligen Zeit, dem die Akteure nachgehen. So kann der Besucher völlig in die Vergangenheit eintauchen. Er kann mit den Darstellern sprechen und Kleidung, Geräte, Fahrzeuge und andere Ausstattung aus nächster Nähe betrachten und sogar anfassen. Der Besucher steht sozusagen mitten im Geschehen und nimmt die Szenerie mit allen Sinne wahr. Ein zeitlich im Einzelnen festgelegtes Programm gibt es nicht; es wird zu zahlreichen spontanen Handlungen und Vorführungen kommen und zu interaktiven Möglichkeiten zwischen Akteuren und Besuchern.
Die Museumsgebäude sind sämtlich funktionaler Teil der Darstellungen. Die Küchen der Museumshäuser werden samt Küchenherden zur Versorgung (neben der Feldküche) in Betrieb genommen, die Betten sind des Nachts mit den Akteuren belegt. Die Gebäude werden durch entsprechende Ummöblierung und durch Funktionszuweisungen im Rahmen der Handlungen selbst Teil der Aktionen.
Drei Tage lang wird also ein wichtiges Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte kurz nach Ende des 2.Weltkriegs sehr konkret erlebbar, weit konkreter als durch Geschichtsbuch oder Film – eine einmalige hautnahe Darstellung, die bisher so in keinem Freilandmuseum geboten wurde.
Das Museum ist jeweils von 10-18 Uhr geöffnet, innerhalb dieser Zeit spielen sich auch die beschriebenen Handlungen ab.
Infos auch unter www.freilandmuseum.com